Pauline Beckmann (l.) mit der Neuseeländerin Jaqueline Cox auf dem Weihnachtsmarkt in Münster. | Foto: Antonia Brakebusch

Vorweihnachtszeit bedeutet für viele Deutsche meist Routine: Plätzchen backen, Tannenbäume aussuchen und versuchen, die besten Geschenke für seine Liebsten zu kaufen – vorausgesetzt, man geht nicht unter in den vollen Städten vor Weihnachten. Doch für manche ist dieses Weihnachten ein Abenteuer, sie befinden sich etwa 18.400 Kilometer entfernt von zuhause und erleben ihr erstes „deutsches“ Weihnachtsfest.

Jaqueline Cox (17) und Harry Littin (16), zwei Teenager aus Neuseeland, stürzen sich dieses Jahr ins „Abenteuer Deutschland“. Die beiden sind durch einen Schüleraustausch nach Deutschland zum Arnold-Janssen-Gymnasium (AJG) gekommen und setzten nach einem 24-stündigen Flug erstmals einen Fuß auf deutschen Boden. Auf die Idee, Deutschland zu besuchen, brachte sie eine Lehrerin, die ihnen erzählte, Deutschland sei schön, kalt und die Lehrer streng. „Eigentlich stimmt das, außer das mit den Lehrern, die sind gar nicht so streng“, erklärt Harry. „Außer gestern vielleicht“, fügt er noch lachend hinzu.

Alles anders

Neuseeländer Harry Littin (l.) ist bei Marco Essing in Wettringen ein-
gezogen. Beide besuchen das AJG. | Foto: Antonia Brakebusch

Harry, dessen Hobbys Science-Fiction-Bücher und Autofahren sind, hofft während seines Aufenthalts Deutschland und die deutsche Kultur kennenzulernen. Bei Jacqueline „geht es hauptsächlich ums Überleben“, scherzt sie. „Das war ein Witz“, versichert sie schnell, als sie sich wieder von ihrem Lachanfall erholt hat. „Doch weiße Weihnachten wären ein Traum“, verrät sie schwärmend, denn weiße Weihnachten gibt es in Neuseeland nicht, denn da ist gerade Sommer. Sowieso ist vieles anders, als hier im kalten Deutschland.

Die beiden Neuseeländer beschreiben ihre ersten Eindrücke als „ziemlich flach, kalt und grau, aber schön.“ Gewöhnt sind die beiden an malerisch schöne grüne Hügellandschaften, von denen es hier im Münsterland natürlich eher wenige gibt. Auch die Tierwelt unterscheidet sich, so hat Jacqueline (genannt Jacqui) ihr erstes Reh entdeckt, als sie auf dem Weg vom Flughafen zu ihrer Gastfamilie nach Neuenkirchen unterwegs ist. „Ich habe zum ersten Mal ein Reh gesehen, das ist so weihnachtlich!“, erzählt sie begeistert. Auch das Wetter hat die beiden Jugendlichen überrascht.

Nach ihrem stundenlangen Flug erlitten die beiden beinahe einen Kälteschock beim Verlassen des Flughafens. „Ich dachte, es wäre Schnee, dabei war es nur Frost“, berichtet Jacqui.
Mittlerweile sind die beiden schon ein paar Tage hier und erleben zum ersten Mal die deutsche Weihnachtszeit mit all ihren Sitten und Bräuchen, welche alle Jahre wieder Kinder- und Erwachsenenaugen zum Leuchten bringt. Doch wie feiert man am anderen Ende der Welt Weihnachten? Darauf haben Jacqui und Harry natürlich direkt eine Antwort: In Neuseeland stehen die Kinder ersten Weihnachtstag früh auf und öffnen die Geschenke, die Santa in der Nacht gebracht hat. Am Nachmittag kommt dann meist die Familie zusammenn und es gibt ein großes Barbecue mit allem, was dazu gehört, wie Hähnchen und Schaffleisch.

Kontakt übers Internet mit der Familie

Auf die Frage, ob sie beim Gedanken an ein Weihnachtsfest ohne ihre Familien nicht ein bisschen Heimweh bekommen, antwortet Jacqui: „Nein, es ist zwar ein bisschen komisch, aber ich bin sehr gerne hier“, dabei lächelt sie Pauline Beckmann, ihre Gastschwester, glücklich an. Auch Harry ist der Meinung, dass Heimweh kein großes Thema ist. „Ich vermisse meine Familie schon ein bisschen, aber es ist nicht schlimm und ich erlebe so viel“, verrät er. Kontakt zu ihren Familien halten sie über Skype, Facebook und Co.

Gemeinsam drücken Jacqui und Pauline am AJG die Schulbank. | Foto: Antonia Brakebusch

Und wo ist die Atmosphäre weihnachtlicher, als auf einem Weihnachtsmarkt? Nirgends. Also geht es am Freitagabend vor dem vierten Advent für Jacqui zum ersten Mal auf den Weihnachtsmarkt nach Münster. Im Zug verrät sie ihre Vorstellungen von einem Weihnachtsmarkt: Viele Menschen, viele Lichter, den Geruch von Weihnachten und natürlich „deutsches Essen“. Mit „deutschem Essen“ meint sie Brezel, Bier, Mandeln, Schokolade und Glühwein. Auf die Brezeln und das Bier wird sie jedoch verzichten müssen, denn wir Deutschen trinken auf einem Weihnachtsmarkt ja schließlich einen heißen Glühwein und das Bier erst wieder abends beim Fußballgucken. Aber das kann die Neuseeländerin ja nicht wissen.

Beim Verlassen des Bahnhofes und dem ersten, mit Lichterketten geschmückten Baum, fangen ihre Augen an zu leuchten. Fasziniert von dem Lichterschmuck in den Straßen zückt sie erst einmal ihr Smartphone, um den ersten magischen Moment festzuhalten. Angekommen am Weihnachtsmarkt erlebt Jacqui zum ersten Mal hautnah den vorweihnachtlichen Trubel, alles ist voll von Menschen, die mit ihren Freunden gemütlich einen Glühwein trinken und sich von der weihnachtlichen Stimmung anstecken lassen. Nach einem kleinen Rundgang um die Buden wird es Zeit für den ersten Glühwein. Vorsichtig probiert sie das hochgepriesene Heißgetränk und lächelt, „Etwas trocken, aber lecker“, ist ihr Urteil.

Neue Freunde gefunden

Am Abend berichtet sie von ihren Eindrücken. Sie wirkt begeistert von der weihnachtlichen Atmosphäre und den vielen Lichtern. „Auch die Leute in den Buden waren nett und offen, sie hatten alle gute Laune“, fügt sie noch hinzu. Außerdem ist ihr aufgefallen, dass „die Leute in der Stadt alle nett waren und freundlich, obwohl viele gestresst wirkten.“ Das einzige, was das schillernde Bild gestört hätte, waren die vielen Raucher, denn in Neuseeland ist Rauchen auf öffentlichen Plätzen nicht gestattet.

Harry und Jacqui sind aus ihrer Weihnachtsroutine ausgebrochen, sie lernen ein völlig fremdes Land kennen, weit weg von zuhause, am anderen Ende der Welt. „Es ist abenteuerlich, so weit weg von zuhause zu sein, eine neue Sprache zu lernen und so viele neue Freunde kennen zu lernen“, sagt Harry lächelnd.