Wenn Sie diese Zeilen lesen, dann ist das Objekt, um das es in diesem Bericht geht, leider schon längst Geschichte. Mehrere hundert Schuss wurden am gestrigen Donnerstag auf den Offlumer See-Adler abgefeuert, den der Vorjahreskönig Reinhard Krey in mühseliger Handarbeit gefertigt hat. Der 59-jährige gelernte Schreiner entschied sich Ende Januar 2024 zum Bau des Schützenvogels für das Schützenfest des Schützenvereins Offlum, welches traditionell an Fronleichnam stattfindet.

Eine Spontanaktion war das nicht

Eine Spontanaktion war das nicht. Immer wieder dachte Krey sich: „Mach ich‘s, oder mach‘s ich nicht“. Im Ergebnis hat er sich
jedoch für die Umsetzung seines Plans entschieden. Zu dem Zeitpunkt wusste Reinhard Krey jedoch noch nicht, worauf er sich da eingelassen hatte. Die Alternative zum Eigenbau wäre die Beauftragung eines Vogelbauers gewesen. Aber der Vorjahreskönig hatte „Lust auf was Eigenes“. Natürlich hatte Krey dabei einen besonderen Anspruch auf das Aussehen und die Machart des Vogels. Schnell war die Idee eines „Adlers“ in seiner Phantasie geboren. Möglicherweise hat die Nähe zum Offlumer See den gelernten Tischler dazu bewegt, einen „Offlumer See-Adler“ zu fertigen; doch dazu später mehr.

Auf das richtige Werkzeug kommt es an

Mit der ersten groben Skizze auf einem Blatt Papier fing alles an. Eingebungen und Inspirationen, wie so ein Seeadler aussieht, hatte Krey aus mehreren Videos, welche er sich zuvor angeschaut hat. Doch bei aller Planung im Vorfeld durfte das richtige Werkzeug nicht fehlen. In seiner kleinen Werkstatt an der Offlumer Straße fehlte jedoch noch etwas: eine Carving-Säge mit Akku musste her. Da war der Weg zur Firma SBN ins Industriegebiet nicht mehr weit. Reinhard Krey äußerte seinen Wunsch gegenüber Inhaber Maik Brüning. Brüning fragte direkt beim Hersteller STIHL nach. Der Wunsch schien nicht alltäglich zu sein, da die Herstellerfirma sich für den Einsatz der angefragten Säge interessierte.

Maik Brüning erklärte kurz, dass sein Kunde mit der Carvingsäge einen einzigartigen, bislang noch nie dagewesenen Schützenvogel sägen wollte. Der Verkaufsleiter der Firma STIHL war so angetan von dieser speziellen Anfrage und der Idee, dass er sich kurzerhand entschloss, die Carvingsäge zu sponsern, vorbehaltlich der Verwendung von Fotos bei der Entstehung des „Offlumer See-Adlers“. Das war jetzt der richtige Ansporn für Reinhard Krey, etwas ganz Besonderes zu schaffen.

Viel Aufwand von der Idee zum fertigen Vogel

So organsierte sich Reinhard Krey einen Holzklotz mehrere Sparrenreste aus Fichte und Tanne inklusive einer Multiplexplatte zum Verleimen. Anfänglichen Besuch gab es von Christian Berger, Offlumer Vogelbauer, der Reinhard Krey mit ein paar hilfreichen Tipps zu Seite stand. Der Vogel wurde vom Papier auf den Holzklotz übertragen, die Proportionen abgestimmt. Dann wurde die Säge angesetzt, die Zeichnung verschwand: ab dem Zeitpunkt war Freestyle angesagt. „Aber ich habe den Vogel ja zuvor in meinem Kopf abgespeichert“, lachte Reinhard Krey beim Interview mit dem Mitteilungsblatt.

Spannweite von 140 cm

Aus der sechs Zentimeter starken und 150 cm langen Bohle sind die Flügel entstanden, die komplett in den Rumpf eingelassen sind. Im Ergebnis hat der Offlumer See-Adler eine Spannweite von 140 cm. Der Rumpf ist ca. 25 cm hoch, die Gesamthöhe von der Fußspitze bis zur Krone beträgt ca. 56 cm, die Länge misst ca. 80 cm, das Gewicht ist mit 13,6 kg schon recht stattlich.

Sofort fällt dem Betrachter auf, dass der Vogel nicht einfach so daherkommt, sondern einen Fisch in seinen Krallen festhält, daher auch der Name des besonderen Schützenvogels. „Der Fisch war früher einmal eine Giraffe“, erklärte Reinhard Krey. Das musste er jedoch erst einmal erklären. Aus der ehemaligen Deko-Giraffe, die im Garten der Eheleute Krey in den letzten Jahren ihr Dasein hatte, wurde kurzerhand der Fisch gebaut, den sich der See-Adler im wahrsten Sinne des Wortes „gekrallt hat.“ Ein bisschen Phantasie brauchte man schon dafür. Spätestens nach dem Durchschauen der Fotos folgte die Erklärung auf dem Fuße.

Rund 150 Stunden filigrane Arbeit

Rund 150 Stunden und viel Herzblut hat Reinhard Krey für die filigrane Handwerksarbeit gebraucht. „Oft brannte spätabends noch Licht in meiner kleinen
Hobby-Werkstatt in Offlum, ähnlich wie bei Michel aus Lönneberga, der immer zum Schnitzen in seinem Schoppen verschwand“, schmunzelte Krey. „Das war der erste und gleichzeitig der letzte Vogel, den ich gebaut habe“, ergänzte Krey augenzwinkernd. Macht er vielleicht in ein paar Jahren doch noch eine Ausnahme mit dem Kaiservogel, den er vielleicht eines Tages von der Offlumer Schützenstange holen möchte? Das bleibt wohl sein persönliches Geheimnis!

Bei den Arbeiten wurden zahlreiche Werkzeuge eingesetzt wie die neue Carvingsäge, eine Stichsäge, eine Flex, mehrere Schraubzwingen, Schleifpapier und natürlich Acrylfarbe für den finalen Anstrich; entsprechend sahen Handwerker und Werkstatt zwischenzeitlich aus. Aber wie heißt es doch in einem bekannten Sprichwort: „Wo gehobelt wird, da fallen Späne“. Die Fähigkeit, dreidimensional denken zu können, war sicherlich auch eine große Hilfe beim Bau dieses nicht alltäglichen Projekts. Ohne die neue Carvingsäge hätte Krey die filigranen Arbeiten an den Flügeln gar nicht machen können. Das richtige Leben wurde dem tristen Holzvogel erst mit dem finalen Anstrich eingehaucht. So wurde der Offlumer See-Adler nach den Holzarbeiten noch aufwändig mit Acrylfarbe bemalt. 

Schätzung abgegeben

Natürlich durfte in dem Interview eine Schätzung des Vogelbauers nach der Anzahl der Schüsse nicht fehlen, die der Vogel aushalten wird: „477 Schuss“, lautete die prompte Antwort. „Im Kollegenkreis gingen die Schätzungen auch weit über 800 Schuss hinaus“, sagte Reinhard Krey. Traditionell darf der Vorjahreskönig am Fronleichnamstag den ersten Schuss auf den Schützenvogel abgeben. „Das wird mir sicherlich schwerfallen und etwas Überwindung kosten“, gab Reinhard Krey zu. „Daneben schießen kann ich nicht, dafür ist der Vogel zu breit“, scherzte er. Doch einer muss den Anfang machen, sonst gibt es keinen neuen König; das sind nun mal die Regeln.

Tolles Ergebnis 

Der Offlumer See-Adler wurde erstmalig am 27. April 2024 rund 60 Gästen beim offiziellen „Vogel-Begucken“ präsentiert. Zuvor wurden jedoch alle Anwesenden im Garten der Eheleute Krey eingenordet, keine Smartphone-Bilder vom Vogel zu machen und auf gar keinen Fall diese zu teilen. Bei Zuwiderhandlungen würden empfindliche Strafen auf diejenigen zukommen. Das wurde klar und deutlich formuliert, somit sollten sich alle daran halten. 

Auf das Ergebnis darf und kann der Vorjahreskönig mächtig stolz sein; das war beim „Vogel-Begucken“ mehrmals von den Gästen aus Schützenbrüdern und Vorstand zu hören. Eines steht auf jeden Fall fest: der diesjährige Schützenvogel in Offlum ist handwerklich gesehen schon ein besonderer Vogel. Angesprochen auf die größte Herausforderung beim Bau des Vogels sagte Reinhard Krey, war die Überlegung, ob er das Wagnis eingehen sollte, selbst einen Vogel zu bauen. Als er diese Hürde überwunden hatte, überwog die Freude und der Spaß bei den Holzarbeiten. Etwas kniffliger wurde es schon, als es darum ging, den Fisch zwischen den Krallen des Greifvogels einzuarbeiten.

Vorsicht beim Transport

Doch bis zum gestrigen Tage stand der stattliche Vogel da und wartete darauf, im Kugelfang an der Offlumer Schützenstange aufgehangen zu werden. Zuvor musste er noch den rund 4,3 Kilometer langen Transport von der ehemaligen Königsresidenz an der Offlumer Straße bis zur Schießanlage auf dem Schützenplatz heile überstehen, bis es dann hieß: „Schützen, Wegtreten zum Königsschießen!“

Horrido!