Verteidiger (l.) und Angeklagter im Gerichtssaal. | Foto: Heuermann

Am Mittwoch hat die Hauptverhandlung vor der 2. Großen Strafkammer des Landgerichts in Münster begonnen. Angeklagt ist ein 55-jähriger Mann aus Neuenkirchen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, der derzeit in der Justizvollzugsanstalt Münster in U-Haft ist, in den späten Abendstunden des 25. Juni 2019 seine damals 79 Jahre alte Mutter aus Habgier getötet zu haben.

Als sich die Hintertür des Gerichtssaals am Landgericht in Münster öffnete, bedeckte der Angeklagte mit einem Aktenordner sein Gesicht, um nicht von den anwesenden Journalisten gefilmt bzw. fotografiert zu werden. In diesem Prozess treten sowohl der Bruder des Angeklagten, als auch die Schwester des Opfers als Nebenkläger auf; diese waren nicht anwesend, ließen sich jedoch anwaltlich vertreten.

Veräußerung von Grundstücken

Laut Anklageschrift soll es am 25. Juni 2019 in Neuenkirchen auf dem elterlichen Anwesen ein Gespräch zwischen seiner Mutter, deren Schwester und ihrer Schwägerin gegeben haben, dessen Inhalt wohl die Veräußerung mehrerer Grundstücke und die Enterbung des 54-jährigen Sohnes gewesen sein soll. Am darauffolgenden Tag sollte diesbezüglich ein Notartermin stattfinden. Dieses Gespräch zwischen den drei Frauen habe der Angeklagte wohl mitgehört und ihn auf seinen Plan gebracht. Am Abend des 25. Juni 2019 nach 20.40 Uhr, nachdem die Schwester des späteren Opfers das Grundstück verlassen habe, soll der Angeklagte zu seiner Mutter gegangen sein. Danach verbrachte er sie, nachdem er ihr mehrere Schläge gegen den Kopf versetzt hatte, in den Brunnen auf dem Gelände der familieneigenen Baumschule, um sie dort zu ertränken.

Dabei ließ er das Opfer an einem zuvor angebrachten Hebegurt an einer im Brunnenschacht stehenden Leiter herunter. Das eine Ende verknotete er am Rücken des Opfers, das andere Ende führte er aus dem Brunnen heraus und befestigte es an einer Leitersprosse. Mutmaßlich, um die Leiche später bei günstiger Gelegenheit unbemerkt vom Grundstück zu entfernen.

Am Landgericht in Münster fand die erste Verhandlung im Schwurgerichtsprozess statt. | Foto: Heuermann

Angeklagter machte keine Aussage

Nach Verlesung der Anklageschrift durch den Staatsanwalt fragte Richterin Hülsmann den Angeklagten, ob er sich zu den Tatvorwürfen einlassen wolle. Die Verteidiger Detlev Binder und Carsten Ernst klärten dies mit dem Angeklagten und gaben zu Protokoll, „dass ihr Mandant sich derzeit nicht dazu einlassen möchte, aber es nicht ausgeschlossen ist, dass der Angeklagte sich zu einem späteren Zeitpunkt einlassen wird.“ Nach einer intensiven Beratung des Angeklagten mit seiner Verteidigung wies einer der Anwälte darauf hin, dass sein Mandant noch Unterlagen aus seinem Büro einsehen möchte, dies ihm aber verweigert würde, da das Büro beschlagnahmt ist. Aufgrund der Situation rund um den Corona-Virus sei aktuell die Kommunikation mit seinem Mandanten nicht immer so möglich, wie beide Seiten es sich wünschen. Er wies auf den regen Diskussionsbedarf seines Mandanten hin, „wie man ja auch bei Gericht gesehen habe“.

Diskussionsbedarf und offene Fragen

Die Richterin wollte von dem Angeklagten wissen, ob er auch bereit sei, mit dem Sachverständigen zu sprechen. Darauf erhielt sie über den Verteidiger die Auskunft, dass wenn der Angeklagte sich zur Sache einlässt, er dann auch selbstverständlich mit dem Sachverständigen reden würde. Vorab gibt es aber wohl noch einige Fragen zu klären. Der Prozess wird am 29. April fortgesetzt. Insgesamt sind neun Verhandlungstage anberaumt.

Leiche im Brunnenschacht entdeckt

Am Mittwoch, dem 26. Juni 2019, wurde auf dem Gelände einer Großgärtnerei ein weiblicher Leichnam in einem Brunnenschacht gefunden. Bei der Leiche handelt es sich um die 79-jährige Besitzerin der Gärtnerei. „Am Körper der 79-Jährigen stellten die Polizisten wenigstens ein Hämatom fest“, erläuterte Oberstaatsanwalt Martin Botzenhardt am 27. Juni 2019 in Münster.

Der Pressesprecher der Kreispolizeibehörde Steinfurt, Reiner Schöttler, teilte am Mittag des 26. Juni 2019 in einem Interview mit dem Mitteilungsblatt mit: „Wir untersuchen, wie und unter welchen Umständen die Frau dort hineingelangt ist.“ Der Einsatzort wurde weiträumig abgesperrt. Die weiteren polizeilichen Untersuchungen wurden aufgenommen.

Unfallgeschehen oder stumpfe Gewalt

„Die Umstände, die zum Tod der Frau geführt haben, sind derzeit ungeklärt. Ursächlich für die Verletzung können ein Unfallgeschehen oder der Einsatz stumpfer Gewalt sein, ein Fremdverschulden kann derzeit nicht ausgeschlossen werden. Mit den weiteren Ermittlungen ist daher eine Mordkommission des zuständigen Polizeipräsidiums Münster unter Leitung von Kriminalhauptkommissar Joachim Poll beauftragt“, hieß es aus Münster. Am 26. Juni 2019 wurde auf dem Gelände eine umfangreiche Spurensuche und -sicherung durchgeführt.

Polizei am Einsatzort am Kaisersweg. | Archivfoto

Anfangsverdacht gegen den Sohn

„Die ersten Ermittlungen haben einen Anfangsverdacht gegen den 54-jährigen Sohn der Neuenkirchenerin ergeben“ erklärte der Leiter der Mordkommission Joachim Poll. „Der 54-Jährige wurde noch am selben Tag vorläufig festgenommen.“ Zur Klärung der Todesursache hat die Staatsanwaltschaft Münster für den 27. Juni 2019 die Obduktion der Verstorbenen im Institut für Rechtsmedizin der Universitätsklinik Münster beantragt.

„Die Obduktion erbrachte keinen eindeutigen Hinweis auf ein Fremdverschulden“, erläuterte Oberstaatsanwalt Martin Botzenhardt in Münster anschließend. „Fest steht nun, dass die 79-jährige Frau aus Neuenkirchen ertrunken ist.“ „In dem Brunnenschacht lag der Wasserstand zum Auffindezeitpunkt bei etwa zwei Metern. Das Hämatom kann durch einen Sturz, durch Rettungsmaßnahmen oder doch durch Fremdeinwirkung entstanden sein“, resümierte der Kommissionsleiter Kriminalhauptkommissar Joachim Poll. „Die Mordkommission ermittelt deshalb weiterhin in jede Richtung.“ Wie der Oberstaatsanwalt Martin Botzenhardt am 27. Juni 2019 erklärte, äußerte sich der vorläufig festgenommene 54-Jährige bislang nicht zu den Vorwürfen. Er wurde am gleichen Tag mangels dringenden Tatverdachts, der Voraussetzung für den Erlass eines Haftbefehls ist, entlassen.

Erneuter Haftbefehl

Am 15. Oktober 2019 wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft erneut Haftbefehl gegen den 55 Jahre alten Sohn der Toten erlassen. „Es besteht der dringende Tatverdacht des Mordes“, erklärt eine gemeinsame Pressemitteilung von Staatsanwaltschaft Münster, Kreispolizeibehörde Steinfurt und Polizeipräsidium Münster. Der 55-jährige Neuenkirchener wurde am 15. Oktober 2019 um 00:05 Uhr festgenommen. Der damals vorläufig festgenommene Sohn der Gärtnereiinhaberin wurde damals mangels dringenden Tatverdachts entlassen, aber war dennoch weiter im Zentrum und Fokus der Ermittlungen.

Erbstreitigkeiten als mögliches Motiv

Der erwerbslose Angeschuldigte soll mit seiner verstorbenen Mutter nach dem Tod des Vaters bereits seit längerer Zeit wegen des Erbes in Streit gelegen haben.