Am Sonntagmorgen lag um 9.30 Uhr bereits ein Hauch von Vorfreude in der Luft der Ortsmitte. Während die Stille des Morgens noch das Rathaus umgab, waren die ersten Karnevalisten der Vereinigten Schützengesellschaft (VSG) bereits vor Ort. Auch Bürgermeister Willi Brüning gab sich die Ehre, frühzeitig anwesend zu sein, um die Ereignisse des Tages einzuläuten. Langsam, aber sicher, begann das Dorf zum Leben zu erwachen: Aus der Fußgängerzone, der Friedenstraße und der Bahnhofstraße drangen die ersten musikalischen Klänge der Spielmannszüge und des Musikzugs der Freiwilligen Feuerwehr.

Es dauerte nicht lange, bis eine bunte Schar aus allen Ecken Neuenkirchens zusammenströmte. Die Närrinnen und Narren,  angeführt von Tanzgarden, Vorständen, Elferräten sowie den Prinzessinnen und Prinzen der Schützenvereine wie Sutrum-Harum, Landersum, Offlum, Heithoek, Dorfbauerschaft und St. Arnold sowie Vertreter der Bürgerschützen, waren allesamt in farbenfrohe Kostüme gehüllt. Ihr Ziel war es, in einer symbolischen Geste den Schlüssel des Rathauses zu erlangen und somit die närrische Regentschaft über die Gemeinde zu übernehmen.

Zähes Ringen um den Rathausschlüssel

Der Kampf um den Rathausschlüssel gestaltete sich als ein zähes Ringen. Bürgermeister Willi Brüning, der den Schlüssel zur Macht in Händen hielt, schien zunächst nicht gewillt, diesen leichtfertig aus der Hand zu geben. Doch nach einigen augenzwinkernden Wortwechseln und der Versicherung, dass es ihm eine Freude sei, die Verantwortung in die Hände der Narrenschaft zu legen, gab er schließlich nach. Mit einem Lächeln auf den Lippen kündigte er an, den Tag gemeinsam mit den Karnevalisten zu feiern, bevor er sich eine wohlverdiente Auszeit gönnte, da die Narren die Macht über die Verwaltung soeben übernommen hatten. Überrascht und erfreut zugleich nahmen die Vertreter der VSG, den Rathausschlüssel entgegen; sie waren bereit, die Geschicke Neuenkirchens in ihre Hände zu nehmen.

Christliche Werte in Reimform

Die Karnevalsfeierlichkeiten fanden ihre Fortsetzung in der St.-Anna-Kirche, wo eine außergewöhnliche Messe stattfand. Diese Messe, die inmitten von farbigen Girlanden und Luftballons zelebriert wurde, stand ganz im Zeichen des Karnevals. Trotz des enormen Andrangs, der dazu führte, dass nicht alle Besucher Platz fanden, verlieh die festliche Dekoration der Kirche einen würdigen Rahmen für das Ereignis. Die Predigt, traditionell in Reimform vorgetragen, spiegelte nicht nur den karnevalistischen Geist wider, sondern thematisierte auch wichtige gesellschaftliche und christliche Werte wie Klimaschutz, Bauernproteste und die Ablehnung von Rechtsextremismus. Musika-
lisch untermalt wurde die Messe vom Musikzug der Freiwilligen Feuerwehr, der neben klassischen Kirchenliedern auch Platz für Karnevalshits ließ, wodurch die Messe eine besondere Note erhielt. Die BetreuerInnen gingen gleich zu Beginn der Karnevalsmesse mit den Kleinsten in das Karl-Leisner-Haus zum Kinder-Gottes-dienst.

Hochkarätige Darbietungen in der Mensa

Der Tag klang aus mit einer beeindruckenden Darbietung aller Neuenkirchener Tanzsportgruppen in der Mensa der Emmy-Noether-Schule. Die Vielfalt und das hohe Niveau der Aufführungen spiegelten die lebendige Karnevalstradition Neuenkirchens wider. Bürgermeister Brüning, der sich sichtlich amüsierte, initiierte eine Polonaise, die durch die Mensa und sogar nach draußen führte, gefolgt von einer fröhlichen Schar aus Erwachsenen und Kindern.

Als der letzte Tanz beendet war und die Musik verstummte, verweilten die Menschen noch lange, um in gemütlicher Runde zu plaudern, Erinnerungen auszutauschen
und gemeinsam zu feiern. Dieser Tag in Neuenkirchen stand ganz im Zeichen der Gemeinschaft, der Freude und der Übernahme von Verantwortung – zumindest bis zum Aschermittwoch, wenn der Rathausschlüssel wieder in die Hände der offiziellen Amtsträger übergeht. Doch bis dahin regieren die Narren mit Herz, Humor.