Umfangreich skizziert der Angeklagte sein arbeitsreiches Leben und seine internationalen Erlebnisse. | Foto: Heuermann

Seit dem 15. April muss sich der 55-jährige Neuenkirchener vor der Schwurgerichtskammer am Landgericht Münster verantworten. Ihm wird vorgeworfen, seine 79-jährige Mutter aus Habgier am 25. Juni 2019 ermordet zu haben. Am zweiten von insgesamt neun angesetzten Prozesstagen hat sich der Angeklagte zu seiner Person geäußert. Zum Verhandlungsbeginn am Mittwoch teilte die Richterin mit, dass sie durch die Presse erfahren habe, dass der Angeklagte sich zur Tat einlassen wolle. Die Verteidigung verwunderte diese Aussage und verneinte.

Der Angeklagte ist gut vorbereitet. Im Stil eines Geschäftsmannes, im weißen, fein gebügelten Hemd, betritt der Unternehmer am Mittwoch den Saal 23 des Landgerichts in Münster. Des Mordes an seiner Mutter angeklagt, spricht der Beschuldigte über sein bewegtes Leben. Einblicke ins Private gibt es wenige – aber die dann tränenreich.

Kindheit, Jugend und Ausbildung

Als ältester von insgesamt drei Brüdern habe für ihn schon früh festgestanden, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. „Ich war schon immer naturverbunden“, sagt der 55-Jährige aus. „Mein ganzes Leben war durch den Betrieb geprägt. Die ganze Familie saß mit den Angestellten am Tisch. Als Kind bin ich schon mit auf dem Feld gewesen.“ Da er der erstgeborene Sohn der Familie ist, hatte schon früh festgestanden, dass er den elterlichen Betrieb beerben würde. Somit stand er seit 1978 als Hofnachfolger fest.

Nach der mittleren Reife beginnt der Neuenkirchener eine Lehre in einem Gartenbau-Betrieb, die er als Prüfungsbester abschließt. Viele weitere Stationen im gesamten Bundesgebiet und im benachbarten Ausland folgen. „Mein Vater hat meinen Weg quasi vorgezeichnet.“ Nach der Meisterschule in Wolbeck 1989 tritt der Sohn schließlich in den elterlichen Betrieb, „einen Vorzeigebetrieb“, ein.

1991 eigene Firma gegründet

Das kleinteilige Geschäft, welches auch in der Baumschule dazugehört, liegt dem Angeklagten zu diesem Zeitpunkt nicht, er hat mehr Freude an den Großkunden und dem Vertrieb. Er gründet daher 1991 – entgegen der Überzeugung seines Vaters – eine zweite Firma für die Abwicklung von Großaufträgen. Hier hält der junge Gärtnermeister 60 % der Anteile, seine Mutter soll 40 % der Anteile gehabt haben. „Ich konnte jeden Auftrag bekommen, den ich haben wollte“, rühmt sich der Beschuldigte.

Privatleben habe es aber nur wenig gegeben. „Damit war ich aber nicht unglücklich.“ Als er dann seine acht Jahre ältere Lebensgefährtin kennenlernt, führt er ein Leben im Luxus. Die Partnerschaft hält immerhin 13 Jahre. Schon nach einigen Jahren kommt es aufgrund dieser Beziehung zum Bruch mit seiner Familie.

Der Angeklagte entdeckt die Welt

1997 habe der Beschuldigte den elterlichen Betrieb verlassen, nachdem ihm sein Vater aufgefordert habe, „endlich zu verschwinden. Völlig mittellos“, wie er am Mittwoch aussagt, „obwohl sechsstellige Beträge auf dem Konto waren. Mir war es zu blöd, mich an dem Geld zu bereichern.“ Später habe der Angeklagte seine Anteile der Firma seinem Bruder unentgeltlich übertragen, obwohl ausreichend Kapital vorhanden gewesen sei.

Er sei jedoch weiterhin geschäftstüchtig gewesen und habe schnell neue Aufträge gewinnen können. Einige Jahre später folgt eine Vortragsreise durch China. Stationen in Ungarn, Kaliningrad, Großbritannien, Rumänien, Düsseldorf und Gladbeck schlossen sich an. Teilweise habe er „so viel Geld verdient, das war schon fast spektakulär.“ Die Geschäftsfelder sind dabei äußerst vielseitig: Produktion und Verkauf von Bahnschwellen, Handeln mit Holzpellets, Kahlschlag eines 500 ha Waldgebietes, Beseitigung von umgestürzten Bäumen, Ankauf von 6 Millionen Kubikmeter Biomasse und Torfabbau.

Sorgen um den Betrieb

Mit der Sorge um den gemeinschaftlichen Betrieb seines Bruders und seiner Mutter und womöglich mit dem Hintergedanken, die Baumschule des Vaters zu übernehmen, wendet der Angeklagte sich 2008 an seinen Vater, da er seinem Bruder die Führung des Unternehmens aufgrund fehlender fachlicher Qualifikation nicht zugetraut hatte. Er verlangt Einsicht in die Finanzunterlagen des Betriebes. Diese Bilanzanalyse ergibt, dass die Firma, „die er an seinen Bruder verschenkt habe“, sich in finanziellen Schwierigkeiten befinde. Diese Tatsache und die spätere Schließung der Firma belasten die Familie, die Mutter erkrankt schwer, der Bruder packt seine Koffer. Laut Aussage des Angeklagten haben er und sein Vater beide Unternehmen weiter betrieben.

Am Ende fließen Tränen

Der Angeklagte nimmt seine Brille ab, als er darüber berichtet. Ihm kommen zum ersten Mal die Tränen während des Prozesses. Es ist eine der wenigen Schilderungen seines Privatlebens, das ihn ansonsten nur wenig zu interessieren scheint. „Die schönste Zeit in meinem Leben war die Arbeit mit meinen Eltern in der Baumschule“, erinnert er sich. Der Schlusspunkt eines minutenlangen Monologes. Ein Monolog, in dem der Gärtnermeister dem Gericht, der Staatsanwaltschaft und seinen Verteidigern tiefe Einblicke in sein Leben gewährt. Oder besser gesagt in sein Berufsleben, denn viel Freizeit habe er nie gehabt.

Arbeit ist sein Leben

„Wenn ich etwas in meinem Leben hätte anders machen können“, sagt der Angeklagte zuvor im letzten Abschnitt seines 90-minütigen Vortrages, „ich hätte gerne noch mehr gearbeitet“. Käme er „aus dem Knast“, sein erster Weg führte ihn direkt auf die nächste Baustelle. „Arbeit ist mein Leben. Freizeit und Urlaube haben mich nie interessiert.“

Schwerer Unfall mit dem Rennrad

Am Abend des 25. Juni 2015 verunglückt der Angeklagte mit seinem Rennrad schwer und droht, ein Pflegefall zu werden. „Meine Eltern haben sich währenddessen nur wenig um mich gekümmert“, klagt der Neuenkirchener. Mehr noch: Seine damalige Lebensgefährtin, samt der beiden Kinder, „hat die Zeit genutzt, um auszuziehen“. Das „hat mich sehr bewegt“. Bewegt habe ihn auch, dass seine Mutter Kontakt zu Immobilienhändlern aufgenommen habe, um Immobilien ihres Mannes zu veräußern, so die Aussage des Angeklagten.

Nächster Verhandlungstermin am 18. Mai

Wäre die Zeit des anberaumten Termins nicht vorbei gewesen, hätte der Beschuldigte noch länger aus seinem Leben erzählen können. Jedoch weicht er immer wieder Fragen der Richterin aus in Bezug auf seine Mutter.

Der nächste Verhandlungstermin ist für den 18. Mai, 9 Uhr, anberaumt. Zu diesem Termin sind die ersten Zeugen geladen.