Erst war es noch ruhig im Dorf – wie immer am Sonntag vor der Karnevalswoche. Aber dann regte sich etwas. Gegen neun Uhr standen die ersten auf dem Rathausplatz. Knüppelmusik schallte aus der Fußgängerzone. Und dann ging es Schlag auf Schlag: vorneweg der Musikzug der Feuerwehr, sämtliche Neuenkirchener Narren, die Spielmannszüge, Tanzgarden, Elferräte, Prinzessinnen und Prinzen mit Kasper und Zepter aus Sutrum Harum, Landersum, Off-lum, Heithoek, Dorfbauerschaft und St. Arnold, sowie die Bürgerschützen strömten zum Rathaus. Natürlich alle verkleidet. Ihr Ziel: dem ersten Bürger der Kommune den Schlüssel des Rathauses zu entreißen und damit die Regentschaft über die Gemeinde zu übernehmen.

Etwas Gerangel um den Rathausschlüssel

Ein bisschen Gerangel, so leicht wollten Bürgermeister Wilfried Brüning und seine Stellvertreterin Kathrin Horre den Schlüssel der Macht nun doch nicht hergeben. Keine Chance. „ Da isser!“ rief schließlich VSG-Vorsitzender Dirk Geisler seinen Kumpanen wie den Präsidenten Markus Wehmschulte und Thommy Brügge zu, die Trophäe stolz in die Höhe haltend.

Willy Brüning ist ja gar nicht so. Er begrüßte alle anwesenden Karnevalisten auf dem vollen Rathausvorplatz und beglückwünschte die Narren zum erfolgreichen Überfall. Insgeheim weiß er natürlich: das Regieren halten sie nicht lange durch. Am Aschermittwoch kommen sie reumütig wieder und bringen die Schlüsselgewalt zurück, Brauchtumspflege eben.

Pastor Thoms hielt die Predigt in Reimform

Die anschließende Karnevals-Messe in St. Anna hielt Pastor Markus Thoms nicht nur für die Karnevalisten, sondern auch mit ihnen, die am Gottesdienst mitwirkten. Die Kirche war zum Bersten voll wie sonst nur an hohen Feiertagen, ein buntes Bild mit den vielen Kostümen. Farbige Girlanden unter den Lampen gaben dem Anlass den passenden Rahmen. Die Predigt hielt der Pastor in Reimform, nicht als Büttenrede, sondern mit dem tiefen Inhalt einer würdigen Predigt: „In diesen tollen Tagen darf ich es wagen, die ewigen Wahrheiten einmal mit Humor zu sagen“. Dürfen wir Christen nach Pandemie und zu Kriegs- und Krisenzeiten die fünfte Jahreszeit ausgelassen feiern? Er zitierte den Apostel Paulus, der auf das Lachen Jesu hinwies. Wir dürfen uns sehr wohl noch einmal austoben, bevor wir uns auf die Auferstehung und Ostern vorbereiten, führte so Markus Thoms aus: „Die Fusion zwischen Christen und Karnevalisten ist ein toller Deal, denn die christlich Freude verspricht gar viel“.

Neben der Orgel gestaltete der Feuerwehr-Musikzug die Messe musikalisch. Mit Liedern wie „Unser Leben sei ein Fest“ oder „Allein Gott in der Höh’ sei Ehr“, durchaus auch mit einer Instrumental-Variation zu „Mer losse d’r Dom en Kölle“. Und wenn der Pfarrer eine gelungene Bemerkung machte oder die einzelnen Neuenkirchener Vereine beim Namen nannte, erklang der eine oder andere karnevalistische Tusch.

Rathausschlüssel in närrischer Hand

Nach dem christlichen Segen schlängelte sich eine Polonaise aller Vereine, dazwischen immer wieder die Spielmannszüge, von der Pfarrkirche zur Mensa der Emmy-Noeter-Schule. Dort erwartete die Karnevalisten ein Feuerwerk sämtlicher Neuenkirchener Tanzsportgruppen. Die Solomariechen. die Mini-, Kinder- und Jugendgarden aller Schützenvereine und der Roten Husaren – sie alle zeigten ihre sportlichen Garde- und Schautänze, so wie sie sie auch auf den Sitzungen getanzt haben. Und als die letzte Garde erschöpft, aber stolz von der Bühne ging, blieben die Vereine, Familien, Freunde noch etwas da. Um noch zu „küern“, ein Glas gemeinsam zu trinken. Einfach einen erfolgreichen Karnevalstag zu genießen und ausklingen zu lassen. Immerhin ist der Rathausschlüssel nun in närrischer Hand.